Seit knapp einem Jahr können FLINTA-Personen in Osnabrück das FrauenNachtTaxi nutzen, um abends und nachts sicherer nach Hause zu kommen. FLINTA steht für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nicht-binäre, trans* und agender Menschen. Ausgeschlossen sind also nur Männer, die sich als solche identifizieren. HASEPOST-Redakteurin Hannah Meiners war von Anfang an skeptisch, was diese Maßnahme bewirken soll und fühlt sich aus ihrem Umfeld und durch Leserinnen bestätigt. Ein Erfahrungsbericht.
Was soll das FrauenNachtTaxi bringen?
Das FrauenNachtTaxi ist ein Konzept, das die Sicherheit von FLINTA-Personen nachts verbessern soll und schon seit den 80er-Jahren in Deutschland existiert. Im Sommer 2024 hat der Stadtrat Osnabrück das Gleichstellungsbüro beauftragt, ein solches Konzept für die Friedensstadt zu entwickeln. Seitdem kann bei der Taxizentrale und per App ein FrauenNachtTaxi in den Abend- und Nachtstunden bestellt werden, um innerhalb des Stadtgebiets für 7 Euro zu einer Wohnadresse fahren zu können. Die Differenz der Kosten trägt die Stadt. Die Taxifahrer sind durch eine Schulung qualifiziert.
Taxifahren fühlt sich nicht sicher an
„Sicher nach Hause“ hört sich erst mal gut an, denn jede FLINTA-Person kennt das Gefühl, sich in der Öffentlichkeit unsicher zu fühlen, vor allem im Dunkeln. Doch stehen viele Personen auch dem Taxifahren vorsichtig gegenüber, denn man begibt sich in einen engen geschlossenen Raum, in dem man keine Kontrolle hat. Die Kontrolle liegt bei der Person hinterm Steuer: In der Regel ein Mann, nachts sogar ganz sicher ein Mann – und das ändert sich auch mit dem FrauenNachtTaxi nicht.
Hauptproblem: Taxifahrer sind unfreundliche Männer
Meine persönliche Erfahrung mit dem FrauenNachtTaxi beschränkt sich aus verschiedenen Gründen auf zwei Fahrten, aber viele Frauen in meinem Umfeld haben negative Erfahrungen gemacht und auch Leserinnen haben sich mit Unmut an die HASEPOST gewandt. Das Hauptproblem: Die Taxifahrer sind Männer, vermitteln keine Sicherheit und sind häufig sehr unfreundlich.
Negative Erfahrungsberichte
Auch aus meinem Umfeld kenne ich Geschichten über das FrauenNachtTaxi: Eine Freundin wurde telefonisch von einem FrauenNachtTaxi-Fahrer beschimpft, eine andere forderte ein FrauenNachtTaxi an und bekam – ohne darüber informiert zu werden – ein normales Taxi. Als sie darüber ihren Unmut am Ende der Taxifahrt äußerte, wurde der Fahrer unverschämt.
Taxifahrerinnen gibt es nachts nicht
Patricia Heller, Leiterin des Gleichstellungsbüros Osnabrück, sieht hier ein strukturelles Problem: Es ist so geregelt, dass Frauen in Osnabrück in der Regel nachts kein Taxi fahren, da Taxifahrerinnen auch von Übergriffen betroffen sind. Daher gibt es auch keine FrauenNachtTaxi-Fahrerinnen. „Ich selbst würde gern nur Frauen einsetzen, doch das ist nicht im Bereich meiner Möglichkeiten“, so Heller im Gespräch mit unserer Redaktion. Stattdessen kann sie die Fahrer, die es gibt, sensibilisieren. Das passiert mit Schulungen, die etwa 30 Minuten dauern – deren Fokus liegt allerdings vornehmlich auf den Nutzungsbedingungen für das FrauenNachtTaxi.
Lange Wartezeiten lassen FLINTA-Personen nachts allein
Ein weiteres Problem: Wenn ich nachts alleine nach Hause möchte, steht an den frequentierten Stellen nie ein FrauenNachtTaxi. Das haben Freundinnen und ich getestet – und am Bahnhof, vor Clubs oder in der Altstadt noch nie erlebt.
Hasepost-Leserin teilt Horror-Heimweg
Diese Erfahrung teilt auch eine Leserin der Hasepost, die sich per E-Mail über das Konzept echauffiert hat. „Ich war mal ein Fan des FrauenNachtTaxis, sehr sogar“, beginnt sie und fährt fort zu berichten, dass sie nachts alleine vergeblich auf der Suche nach einem FrauenNachtTaxi war. Die Anfrage wurde mehrfach in der App abgelehnt – und als sich schließlich ein Taxifahrer fand, stornierte er die Fahrt vor Ort. „Ich sah ihn dann mit anderen Fahrgästen Richtung Lokviertel fahren“, heißt es in der Mail. Als sie schließlich ein normales Taxi an ihrem Ort anfragt, erlebt sie das: „Der Fahrer zeigt auf einen anderen Gast. Ein Mann. Ich stand dort allein als Frau. Seine Reaktion: ‚Ich nehme diese, vielleicht bessere!’“ Die Leserin kam schließlich sicher mit einem normalen Taxi nach Hause, dessen Fahrer ihr auch empfahl, sich zu beschweren. Gute Taxifahrer gibt es also, aber es sind nicht unbedingt die FrauenNachtTaxi-Fahrer.
Nicht alle Taxifahrer dürfen zum FrauenNachtTaxi-Tarif fahren
Auch in den sozialen Medien finden sich Kommentare von unzufriedenen Frauen. Einige Userinnen beschweren sich ebenfalls darüber, dass die FrauenNachtTaxis schwierig zu erwischen sind. „Fazit: Glücksache“, lautet ein Kommentar. Eine andere Userin, die in einer Taxizentrale arbeitet, gibt die Schuld der Stadt: „Ich als Zentralistin habe es mal gewagt, ein normales Taxi zu schicken. Also einen nicht geschulten Fahrer. Habe ihm am Telefon kurz erklärt, wie er sich zu verhalten hat (warten bis Dame im Haus ist), dass die Dame 7 Euro zahlen soll und er den Differenzbetrag eintragen muss. Das kam bei der Stadt nicht gut an. Ich habe es gut gemeint. Also wir dürfen zu dem gleichen Preis kein normales Taxi schicken.“
Das bestätigt auch Patricia Heller vom Gleichstellungsbüro. Für die Wartzeiten und Nicht-Verfügbarkeit der FrauenNachtTaxis hat sie keine Lösung parat: „Das ist ein strukturelles Problem, es gibt einfach zu wenig Taxifahrer, und es wollen auch nicht alle die Schulung machen, um das FrauenNachtTaxi anbieten zu können.“ Sie hofft jedoch, dass immer mehr Taxifahrer merken, dass das FrauenNachtTaxi stark angenommen wird, und sich doch noch für die Schulung entscheiden.
Mangelnder Kontrollmechanismus
Heller weiß: Es gibt Beschwerden. Diese zielen in der Regel auf die Unfreundlichkeit der Fahrer ab oder auf lange Wartezeiten sowie die Tatsache, dass kein Taxi zur Verfügung steht. „Ich habe das Gefühl, dass die Personen, die negative Erfahrungen mit dem FrauenNachtTaxi gemacht haben, sich auch beschweren. Und dass somit eine Kontrollinstanz entsteht“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte. Das kann ich nicht einschätzen, aber ich weiß, dass Frauen in meinem Umfeld sich nicht beschwert haben und trotzdem eine unschöne Fahrt hatten. Dass es zu wenig FrauenNachtTaxis in Osnabrück gibt, bestreitet Heller nicht. Doch sie kann die Menge der Fahrer nicht bestimmen. Das Gleichstellungsbüro überprüft die Taxifahrer, welche FrauenNachtTaxis fahren, außerdem nicht selbst, sondern vertraut auf die Kontrolle durch die Taxizentrale, die Fahrer ausschließen kann und dies auch schon getan haben soll.
Der Weg in den Club muss nicht sicher sein
An dieser Stelle außerdem ein kleiner Einschub zum Preis: Seit Beginn des Jahres kostet die Taxifahrt mit dem FrauenNachtTaxi nicht mehr 7 Euro pro Fahrt, sondern 7 Euro pro Person pro Fahrt. Wenn ich also beispielsweise mit drei Freundinnen aus der Altstadt zu einer Wohnadresse in Bahnhofsnähe mit dem Taxi möchte, zahlen wir viermal 7 Euro, also insgesamt 28 Euro. Zu diesem Betrag würde man sonst eine viel weitere Strecke zurücklegen können. Man zahlt also drauf. Das nächste Problem: Das FrauenNachtTaxi bringt mich nur zu einer Wohnadresse, aber nicht zu einem Club. Ich soll also nicht sicher zum Feiern, sondern nur vom Club sicher nach Hause kommen.
Der Grund für diese Regelung: Geld. Patricia Heller erklärt dazu: „Die finanziellen Mittel sind erschöpflich, und für den sicheren Weg in den Club gibt es Möglichkeiten, beispielsweise in Gruppen zu fahren. Hier sehen wir keinen großen Bedarf.“ Auch die Preiserhöhung bei Gruppenfahrten lässt sich durch die knappen finanziellen Mittel begründen.
Wer im Landkreis wohnt, hat ohnehin Pech gehabt
Eine Kooperation mit dem Landkreis gibt es für das FrauenNachtTaxi auch nicht, da der Landkreis eigene finanzielle Mittel bereitstellen müsste – dies aber aktuell nicht macht. Die Gleichstellungsbeauftragte hat hier keine Handhabe, fände eine Lösung für den Landkreis aber wünschenswert.
Gleichstellungsbüro zieht weitestgehend positive Bilanz
Patricia Heller berichtet, dass die finanziellen Mittel für das FrauenNachtTaxi ausgeschöpft sind und erhöht werden müssten. Es wird also regelmäßig genutzt, das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die Nutzerinnen zufrieden sind.
Hellers Fazit: „Es gibt Sachen, die ich verändern wollen würde, die jedoch nicht im Bereich meiner Möglichkeiten liegen. Das erste wäre, Wartezeiten zu verkürzen und Taxifahrerinnen einzusetzen. Doch im Bereich der Möglichkeiten funktioniert das Angebot und trägt sicherlich zu Sicherheit für FLINTA-Personen in Osnabrück bei.“
Kritik bleibt bestehen
Das Gleichstellungsbüro agiert im Bereich seiner Möglichkeiten und reflektiert die Umsetzung. Das hat Patricia Heller deutlich gemacht. Meine Kritik richtet sich gegen das Konzept als solches. Für mich bleibt offen: Wie genau soll das FrauenNachtTaxi im Bereich der Möglichkeiten die Sicherheit von FLINTA-Personen nachts verbessern? Die Fahrer sind nicht besser als Taxifahrer normaler Taxis, die Wartenzeiten unter Umständen sogar deutlich länger und die Fahrt zu öffentlichen Orten und in den Landkreis wird gar nicht angeboten. Viele Personen sind also auch von dem Angebot ausgeschlossen. Der einzige Vorteil: der günstige Preis – und dieser fällt bei Sammelfahrten nun zum Teil sogar weg. Somit ist das FrauenNachtTaxi durchaus eine nette, aber nicht zu Ende gedachte Idee. Denn die Realität sieht anders aus.