Der Dresdner Lebensmittelchemiker Thomas Henle wirbt für mehr Gelassenheit im Umgang mit hochverarbeiteten Lebensmitteln und sieht derzeit keine ausreichende wissenschaftliche Grundlage für deren generelle Einstufung als ungesund. In einem Interview mit dem Magazin „Spiegel“ kritisiert er zudem das Nova-System zur Klassifizierung von Lebensmitteln als ideologisch motiviert und warnt vor gesellschaftlichen Rückschritten bei der Gleichstellung von Mann und Frau.
Lebensstil wichtiger als der Verarbeitungsgrad
Der Dresdner Lebensmittelchemiker Thomas Henle sieht nach eigener Darstellung keinen gesicherten Nachweis dafür, dass hochverarbeitete Lebensmittel per se gesundheitsschädlich sind. „Derzeit sehe er keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass diese generell ungesund seien“, sagte Henle dem „Spiegel“.
Viele Studien zu diesem Thema seien aus seiner Sicht methodisch problematisch. Das Problem vieler Untersuchungen sei, „dass sie keine Belege liefern, sondern lediglich auf Beobachtungen beruhen“, so Henle im „Spiegel“.
Forderung nach genauerer Bewertung einzelner Produkte
Der Forscher der TU Dresden plädiert laut „Spiegel“ dafür, stärker zu differenzieren, welche Produkte tatsächlich kritisch zu bewerten seien. Er fordert, genauer hinzuschauen: „Welche aus dieser Gruppe der sogenannten stark verarbeiteten Lebensmittel sind bei zu häufigem Verzehr tatsächlich problematisch? Zum Beispiel gesüßte Getränke, die sehr viel Zucker enthalten, oder sehr fettreiche und salzige Wurstwaren.“
Nach Einschätzung Henles sind Erkrankungen in vielen Fällen weniger auf einzelne Produkte als auf das gesamte Verhalten zurückzuführen. Dass Menschen krank werden, liegt laut Henle „meist am gesamten Lebensstil: zu viele Kalorien, zu wenig Bewegung.“
Kritik am Nova-System und gesellschaftliche Folgen
Im „Spiegel“ kritisiert der Professor auch das Nova-System, das Lebensmittel nach dem Grad ihrer Verarbeitung klassifiziert, als „ideologisch motiviert“. Aus seiner Sicht werde damit „eine neue reine Wissenschaft versprochen, frei von Industrieeinfluss – aber ohne solide, überprüfbare Methoden.“
Henle warnt in dem Interview zudem vor gesellschaftlichen Auswirkungen solcher Klassifikationssysteme. Das habe auch Folgen für die Gesellschaft, sagte er. „Es werden alte Rollenmuster und Erwartungen an weibliche Fürsorge wiederbelebt – und das unter dem Deckmantel von Wissenschaft und Gesundheitsfürsorge.“ Dies könne „sogar dazu führen, dass Frauen sich schuldig fühlen, wenn sie nicht alles selbst zubereiten.“ Henle sieht darin nach Angaben des „Spiegel“ auch einen Rückschritt für die Gleichstellung von Mann und Frau.
Quelle: Mit Material der dts Nachrichtenagentur. ✨ durch KI bearbeitet, .
