Der Bundestag hat am Donnerstag in einer Gedenkstunde an das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung Europas von der nationalsozialistischen Herrschaft vor 80 Jahren erinnert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dankte in seiner Rede den Alliierten für die Befreiung 1945 und äußerte deutliche Kritik an aktuellen politischen Entwicklungen in Russland und den USA. Diese Ereignisse bezeichnete er als „doppelten Epochenbruch“, der das Ende des langen 20. Jahrhunderts markiere.
Erinnerung an Befreiung und Schuld
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betonte die historische Verantwortung Deutschlands für den Zweiten Weltkrieg und die Verbrechen der NS-Zeit. „Es waren Deutsche, die diesen verbrecherischen Krieg entfesselt und ganz Europa mit in den Abgrund gerissen und das Menschheitsverbrechen der Shoah begangen haben. Und es waren Deutsche, die nicht willens und nicht fähig waren, selber das Joch des NS-Regimes abzuwerfen“, sagte Steinmeier laut dpa.
Er würdigte die Rolle der alliierten Soldaten und der europäischen Widerstandsbewegungen bei der Überwindung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft: „Unser Dank gilt Amerikanern, Briten, Franzosen und all denen, die mit ihnen den Kampf gegen den nationalsozialistischen Terror führten. Wir wissen auch, welchen Beitrag die Rote Armee dabei geleistet hat, Russen, Ukrainer, Weißrussen und alle, die in ihr gekämpft haben. Mindestens 13 Millionen dieser Soldaten und noch einmal so viele Zivilisten verloren ihr Leben“, so der Bundespräsident. „Die Rote Armee hat Auschwitz befreit.“ Besonders betonte Steinmeier die Dankbarkeit für die Aussöhnung mit Polen und Frankreich sowie „das Wunder der Versöhnung, das jüdische Gemeinschaften auf der ganzen Welt und der Staat Israel uns geschenkt haben“.
Warnung vor dem Vergessen der Lehren der Geschichte
Steinmeier zeigte sich besorgt über das Verblassen der historischen Lehren aus den Erfahrungen mit Diktaturen und Kriegen. „Die Befreier von Auschwitz sind zu neuen Aggressoren geworden. Mit dem Krieg gegen die Ukraine hat Putin unsere europäische Sicherheitsordnung in Trümmer gelegt – von der wir doch gehofft hatten, sie sei als Lehre aus den Schrecken des Krieges ein für alle Mal gelernt“, erklärte er in seiner Rede.
Mit Blick auf die Entwicklungen in den USA mahnte der Bundespräsident: „Wir sehen mit Schrecken, dass selbst die älteste Demokratie der Welt schnell gefährdet sein kann, wenn die Justiz missachtet, die Gewaltenteilung ausgehebelt, die Freiheit der Wissenschaft angegriffen wird“, sagte Steinmeier in Bezug auf das Vorgehen von US-Präsident Donald Trump. „Es ist nicht weniger als ein doppelter Epochenbruch – der Angriffskrieg Russlands, der Wertebruch Amerikas –, er markiert das Ende des langen 20. Jahrhunderts.“
Erinnerung, Gedenken und gesellschaftliche Verantwortung
Steinmeier wies Forderungen nach einem Schlussstrich über die deutsche Vergangenheit zurück: „Wer sich der Vergangenheit stellt, der verzichtet nicht auf Zukunft. Unsere Geschichte ist kein Gefängnis, in das wir eingesperrt sind. Sie ist im Gegenteil, mit all ihren Höhen und Tiefen, ein riesiger, ein kostbarer Erfahrungsschatz“, betonte der Bundespräsident.
Mit Blick auf nationale und internationale Herausforderungen sagte er: „Wenn andere in Nationalismus verfallen und brachial ihre Interessen durchsetzen wollen, dann suchen wir umso mehr gemeinsam mit unseren Partnern nach Lösungen – weil es richtig ist. Wenn andere die Vereinten Nationen in Frage stellen und das Völkerrecht brechen, halten wir daran fest – weil es richtig ist. Wenn andere Demokratie, Freiheit, Recht einschränken, verteidigen wir sie erst recht.“ Angesichts neuer Kriege, die heute Sorgen bereiten, hob er hervor: „Dann verlieren wir – gerade wir – nicht den Frieden aus dem Blick.“
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) erinnerte zu Beginn der Sitzung besonders an das Leid von Frauen und Mädchen in der Nachkriegszeit: „Kaum Möglichkeiten gab es für die Betroffenen, über das Erlebte zu sprechen: Die Scham verlängerte ihr Leid. Es ist Zeit, diesen Frauen in unserem Gedenken Raum zu geben, ihr Leid anzuerkennen – auch die unglaubliche Kraft, mit der diese Frauen ums Überleben kämpften und entscheidend zum Wiederaufbau beitrugen“, sagte Klöckner laut dpa.
Die Zeremonie wurde zudem von literarischen Beiträgen Jugendlicher begleitet, die Auszüge aus Werken von Walter Kempowski, Ruth Klüger und Thomas Mann sowie aus einer BBC-Neujahrsansprache 1945 vortrugen. Das Oxalis Quartett spielte ein Werk von Dmitri Schostakowitsch, das der Komponist „Im Gedenken an die Opfer des Faschismus und des Krieges“ gewidmet hatte.
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