Der diesjährige Christopher Street Day (CSD) am 31. Mai in Osnabrück verlief bunt, friedlich und mit rund 3600 Teilnehmenden gut besucht. Doch nach dem Fest bleibt ein bitterer Nachgeschmack: Das Bündnis Osnabrück für Alle erhebt in einer anonymen Mitteilung an unsere Redaktion schwere Vorwürfe gegen die Polizeiinspektion Osnabrück. Grund: Ein mutmaßlich rechtswidriger Kameraeinsatz am Neumarkt.
Das ist die rechtliche Ausgangssituation
Bereits seit dem 23. April 2025 ist dieser zentrale Bereich der Innenstadt mit dauerhaft installierter Videoüberwachung ausgestattet. Laut den geltenden Regelungen müssen die Kameras bei öffentlichen Veranstaltungen wie Demonstrationen abgeschaltet werden – und zwar so, dass dies für alle sichtbar ist. In Osnabrück zeigt eine orangefarbene Lampe unterhalb der Kameras an, ob diese deaktiviert sind. Leuchtet die Lampe, findet keine Aufzeichnung statt – ist sie aus, wird gefilmt.
Kameras liefen offenbar während der Demo
Nach Angaben des Bündnisses war während des CSD die orangefarbene Lampe ausgeschaltet – ein Hinweis darauf, dass die Kameras in Betrieb waren. Damit, so die Kritik, habe die Polizei das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Demonstrierenden verletzt. „Das ist ein krasser Eingriff in die Meinungs- und Bewegungsfreiheit“, erklärte ein anonymes Mitglied des Bündnisses. „Die Polizei darf Menschen bei Versammlungen nur in Ausnahmefällen filmen – etwa bei konkreten Gefahren oder nach klarer Ankündigung. Beides war nicht der Fall.“ Die Polizei habe damit gegen geltendes Recht verstoßen, so das Bündnis weiter, und fordert Betroffene dazu auf, mögliche Anzeigen zu prüfen sowie Ansprüche auf Schadensersatz geltend zu machen.
Polizei räumt technische Störung ein
Auf Nachfrage unserer Redaktion reagiert Pressesprecher der Polizeiinspektion Osnabrück, Jannis Gervelmeyer, auf die Vorwürfe. Am Tag der Veranstaltung sei eine technische Störung am Bedienplatz der Videoanlage festgestellt worden. Diese habe verhindert, dass die Kameras regulär deaktiviert werden konnten, dabei sei weder eine Live-Überwachung noch ein Zugriff auf die Systeme möglich gewesen, erklärt er. Erst nach einer Anfrage des Verwaltungsgerichts Osnabrück am 6. Juni sei festgestellt worden, dass dennoch Daten gespeichert wurden.
„Wir nehmen diesen Vorfall sehr ernst“, so Gervelsmeyer. Man wolle die internen Abläufe bei technischen Störungen überarbeiten, um solche Situationen künftig zu vermeiden. „Der Schutz der Versammlungsfreiheit und der Privatsphäre hat für uns höchste Priorität“, betont er.
Vertrauen belastet
Für viele Teilnehmende des CSD ist die Situation besorgniserregend. In der anonymen Mitteilung des Bündnis für Alle wird eine Demonstrantin zitiert: „Ich will nicht heimlich von der Polizei gefilmt werden, wenn ich für meine Rechte demonstriere.“ Gerade in Zeiten, in denen queere Menschen zunehmend unter Druck geraten, sei das Vertrauen in staatliche Institutionen besonders wichtig – und durch solche Vorfälle gefährdet.
Das Bündnis Osnabrück für Alle kritisiert bereits seit längerem den städtischen 10-Punkte-Plan zur Ordnung im öffentlichen Raum. Auch die Videoüberwachung wird darin als Instrument zur Verdrängung marginalisierter Gruppen gesehen. Der Vorfall beim CSD könnte diese Bedenken in manchen Augen bestätigen.