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Bühne11: Wie ein Verein mit zwei Frauen an der Spitze Osnabrücks freie Kulturszene mit Leben füllt

Von einer verlassenen Musicalschule, der German Musical Academy, zur Keimzelle für kulturelle Teilhabe: Das Proberaumzentrum Bühne11 in Osnabrück ist mehr als nur ein Ort für Theaterproben. Es ist ein Ort, an dem Ideen wachsen, Gemeinschaft entsteht – und zwei Frauen an der Spitze des Vereins „Kulturmacher“ Verantwortung übernehmen.

Ein drohender Verlust wird zur Chance

Als die 37-jährige Swaantje Ohlrogge im Jahr 2021 von der drohenden Schließung der alten Räumlichkeiten erfuhr, war sie eigentlich noch Teil eines freien Theaterprojekts. Dass sie heute eine tragende Säule eines ganzen Zentrums ist, war damals nicht abzusehen. Und doch wurde aus einer Notsituation eine neue Chance.

Der Anlass war der Neubau des Instituts für Musik der Hochschule Osnabrück an der Caprivistraße, der die Räume an der Sichernstraße ersetzen sollte – allerdings ohne Platz für freie Gruppen wie das Amateur-Musicalprojekt. Was tun mit einem Ensemble, das Räume braucht, aber nirgendwo hin kann? Die Egerland-Stiftung erkannte das Dilemma – und gleichzeitig das Potenzial: Die Räume waren bereits ausgestattet mit Tanzboden, Klavieren, Lichttechnik. Es wäre Verschwendung gewesen, sie einfach aufzugeben.

Das Proberaumzentrum Bühne11 in der Spichernstraße in Osnabrück. / Foto: Dominik Lapp
Das Proberaumzentrum Bühne11 in der Osnabrücker Spichernstraße: Hier war früher die German Musical Academy beheimatet. / Foto: Dominik Lapp

Selbst ist der Verein

Also gründete Swaantje Ohlrogge mit Gleichgesinnten kurzerhand den Verein „Kulturmacher“ – die Bühne11 war mithilfe der finanziellen Unterstützung der Egerland-Stiftung geboren. Ohlrogges heutige Vorstandskollegin Katie Silvers war zu diesem Zeitpunkt noch Studentin. Durch ein Hochschulmodul zum gesellschaftlichen Engagement kam sie erstmals mit der Bühne11 in Kontakt – und blieb. „Ich wohne ganz in der Nähe, dachte mir: Ich schau’s mir mal an“, erzählt sie mit einem Lächeln.

Sie begann im Bereich Fördermittelanträge, fand Gefallen an der Arbeit, übernahm immer mehr Verantwortung. Heute, mit 23 Jahren, ist sie Vorsitzende des Vereins – ehrenamtlich. Ihre Mitstreiterin Swaantje Ohlrogge teilt sich mittlerweile ihre Zeit auf: 18 Stunden pro Woche arbeitet sie im Projektmanagement der Bühne11, die restliche Zeit in einem weiteren Job. „Unsere Rollen im Verein sind gleichberechtigt. Wir stimmen uns eng ab. Das ist wichtig“, erklärt Silvers.

Swaantje Ohlrogge und Katie Silvers im Tanzsaal der Bühne11. / Foto: Dominik Lapp
Swaantje Ohlrogge und Katie Silvers im gut ausgestatteten Tanzsaal der Bühne11. / Foto: Dominik Lapp

Kultur für alle – nicht nur für wenige

Das Konzept der Bühne11 ist bewusst niedrigschwellig. Mitgliedsbeiträge und Raummieten sind so gering wie möglich. „Kultur soll kein Luxus sein“, betonen beide. Der Großteil der Finanzierung kommt bislang von der Egerland-Stiftung – doch deren Förderung läuft im kommenden Jahr aus. Eine Herausforderung, die das Team nicht unterschätzt. Aktuell verhandelt der Verein über eine Anschlussförderung. Doch die Rahmenbedingungen für Kulturförderung sind angespannt. „Wir hoffen, dass man unseren Mehrwert erkennt“, sagt Katie Silvers. Und der ist spürbar – nicht nur für Künstlerinnen und Künstler, die in der Bühne11 proben und unterrichten, sondern auch für das Publikum.

Ein Musical als Wendepunkt

Ein Höhepunkt in der noch jungen Geschichte des Vereins war die Inszenierung des Musicals „1648“. Es war das erstes Großprojekt – und ein voller Erfolg. Das Team stemmte eine Produktion, die besonders junge Menschen erreichte. Die Verantwortlichen entwickelten ein solidarisches Ticketmodell: Wer konnte, zahlte mehr – wer wenig hatte, kam günstiger rein. „Gerade junge Menschen konnten sich so den Musicalbesuch leisten – für viele war es das erste Mal“, erinnern sich die beiden Frauen.

Solidarität auf dem Spielplan

Für Studierende der Universität und Hochschule Osnabrück war der Eintritt sogar kostenlos. Etwa 50 Studierende nahmen das Angebot wahr. Viele junge Besucherinnen und Besucher kamen ohne Vorkenntnisse, aber mit großer Neugier. Manche sollen das Album vorher rauf und runter gehört haben.

Bühne11 / Foto: Dominik Lapp
Wie geht es mit der Bühne11 weiter? Die Förderung läuft 2026 aus. / Foto: Dominik Lapp

Die Rückmeldungen waren durchweg positiv. Viele hätten noch nie ein Musical gesehen und seien begeistert gewesen. Die Musik, die Inszenierung und nicht zuletzt das niederschwellige Angebot machten es möglich, neue Zielgruppen zu erreichen. „Kultur ist wertvoll – gerade für junge Menschen. Aber es ist schwer, diesen Wert sichtbar zu machen, wenn man gleichzeitig will, dass alle teilhaben können“, sind sich Swaantje Ohlrogge und Katie Silvers sicher. Das solidarische Modell war ein Versuch, diesen Widerspruch zu überbrücken.

Energie ja – aber die Zeit fehlt

Doch mit Idealismus allein lässt sich kein Proberaumzentrum dauerhaft betreiben. Was fehlt, sind Zeit, Ressourcen – und Menschen. „Die Motivation ist riesig, aber wir stoßen an Grenzen“, sagt Ohlrogge. „Wir brauchen Leute, die nicht nur bei Veranstaltungen helfen, sondern sich auch in der Organisation engagieren.“ Viele Ehrenamtliche arbeiten mit – doch der Bedarf ist groß. Wer hier mitmacht, braucht Durchhaltevermögen.

Ein Ort voller Ideen – und voller Potenzial

Dabei ist die Bühne11 längst mehr als ein Raum für Theater. Es ist ein Ort der Begegnung, der Bildung, der kulturellen Teilhabe. Und ein Experimentierfeld für neue Wege in der Kulturarbeit. Wie viel darf ein Ticket kosten? Wie sichtbar ist ehrenamtliche Arbeit? Was braucht es, damit junge Menschen bleiben? Katie Silvers und Swaantje Ohlrogge träumen von einem offenen Haus – mit festen Strukturen, professionellem Anspruch und gleichzeitigem Zugang für alle. Das Projekt „1648“ hat gezeigt, dass das geht. Und die Leidenschaft der beiden Vorsitzenden zeigt, dass es nicht nur ein Wunschtraum ist.

 
Dominik Lapp
Dominik Lapp
Dominik Lapp ist seit 2023 Redaktionsleiter der HASEPOST. Der ausgebildete Journalist und Verlagskaufmann mit Zusatzqualifikation als Medienberater, Social-Media- und Eventmanager war zuvor unter anderem als freier Reporter für die Osnabrücker Nachrichten, die Neue Osnabrücker Zeitung und das Meller Kreisblatt sowie als Redakteur beim Stadtmagazin The New Insider und als freier Autor für verschiedene Kultur-Fachmagazine tätig. Seine größte Leidenschaft gilt dem Theater, insbesondere dem Musical und der Oper, worüber er auch regelmäßig auf kulturfeder.de berichtet.

  

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