Mehr als elf Jahre, nachdem mit dem Bebauungsplan 600 – damals gedacht für ein nie von wechselnden Investoren ernsthaft verfolgtes Shoppingcenter-Projekt – kurzzeitig Aufbruchstimmung im Ratssitzungssaal aufkam, soll nun tatsächlich Bewegung in das städtebauliche Problemfeld am Neumarkt kommen.
Ein Problemfeld, das die Kommunalpolitik im Kern bereits seit Anfang der 2000er Jahre beschäftigt – beginnend mit dem Auszug des Textilkaufhauses Wöhrl im Jahr 2002. Eine Situation, die das eigentliche Herz der Stadt in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einem innerstädtischen Ghetto hat verkommen lassen, Kriminalitätsschwerpunkt, Messerverbotszone und durchgehende Kameraüberwachung als Folge.
Erste Abrissarbeiten am Neumarkt noch in diesem Jahr möglich
Läuft alles so, wie Politik und Verwaltung es planen und hoffen, könnte bereits in diesem Jahr mit dem Abriss der ersten Gebäude entlang des Neumarkts begonnen werden. Abgerissen werden sollen als größte Einzelgebäude das Kachelhaus und das ehemalige Wöhrl-/Ypso-Kaufhaus. Außerdem mehreree Häuser in der vorderen Johannisstraße und in der Seminarstraße.
Zu den ersten Gebäuden, die der Abrissbagger in Angriff nehmen könnte, zählt das ehemalige Ihr-Platz-Haus und das ehemalige Wöhrl-Parkhaus.

Wöhrl-Gebäude sollte schon einmal abgerissen werden – angeblich
Unvergessen dürfte vielen Osnabrückerinnen und Osnabrückern der vom damaligen Ratsfraktionsvorsitzenden Frank Henning (SPD) inszenierte Pressetermin geblieben sein, bei dem er eine (zudem noch falsch ausgefüllte) „Abrissanzeige“ in die Kamera hielt – ein Dokument, an das sich der damalige Bauherr jedoch nie gebunden fühlte und das wohl eher dem damaligen Kommunalwahlkampf dienen sollte.

Bebauungsplan für rund 320 Wohnungen
Mit der Aufhebung des alten Bebauungsplans 600 und dem neuen Bebauungsplan 651 erhält die Lindhorst-Gruppe Planungssicherheit, um rund 320 Wohnungen für Studierende, Auszubildende sowie Seniorinnen und Senioren zu errichten – ergänzt um Flächen für Einzelhandel, Büros und Gewerbe. Vorausgegangen war die öffentliche Auslegung des Plans. Die meisten Rückmeldungen betrafen Bedenken wegen möglicher Verschattung. Diese seien jedoch, so Stadtbaurat Timo Weitemeyer, inzwischen ausgeräumt worden.

Viel Eigenlob und keine Selbstkritik im Ausschuss
Wie schon die Öffentlichkeitsbeteiligung blieb auch die Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt (StUA) weitgehend kontroversenfrei. Die Redebeiträge waren in erster Linie geprägt von gegenseitigen Selbstbeglückwünschungen der Fraktionen, die es als Erfolg und nicht als Beweis falscher Prioritäten werteten, nach mehr als zwei Jahrzehnten endlich eine Lösung für das städtebauliche Problem gefunden zu haben – sofern der Bauherr diesmal wirklich abreißen will.
FDP-Ratsherr wünscht sich eine „Abrissparty“
Bevor der Bebauungsplan schließlich einstimmig zur Empfehlung für die Ratssitzung am 1. Juli verabschiedet wurde, äußerte sich FDP-Ratsmitglied Oliver Haskamp noch mit einem ungewöhnlichen Wunsch: Die Verwaltung solle von der Lindhorst-Gruppe nun auch eine „Abrissparty“ einfordern.