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250 Jahre Zeitungen, Journalismus und Medien in Osnabrück – Teil 6

Jedes Land muß billig dergleichen haben…

Am 04. Oktober 1766 war es endlich soweit: die erste Zeitung aus Osnabrück und für die Osnabrücker Bevölkerung wurde herausgegeben. Und zwar von niemand geringerem als Justus Möser, damals Kriminaljustizrat im Fürstbistum Osnabrück und leidenschaftlicher Autor von Berichten zur politischen und kulturellen Situation in seiner Heimatstadt. Das muß gefeiert werden!
Immerhin ist Justus Möser auch heute noch für uns als Kommentator zu wichtigen Themen rund um Osnabrück und den Rest der Welt tätig (zumindest im Geiste).

Im Jubiläumsjahr wird die HASEPOST einmal im Monat eine kurze Übersicht über die historische Entwicklung von Zeitungen, Journalismus und Medien im Großraum Osnabrück geben. Und wir werden am Ende des Jahres versuchen, in die Zukunft zu schauen und die weitere Entwicklung der Osnabrücker Medienlandschaft zu prognostizieren. 

Teil 6: Osnabrücker Zeitungen in der Weimarer Republik – die schwierigen Jahre

Das so glorreich gestartete und auch in Osnabrück freudig begrüßte Deutsche Kaiserreich war am Ende des ersten Weltkrieges endgültig Geschichte. Im November 1918 rief Philipp Scheidemann in Berlin die deutsche Republik aus, der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. mußte abdanken und in Osnabrück gab es zu Beginn der Weimarer Republik drei bedeutende Tageszeitungen: das „Osnabrücker Tageblatt“, die „Osnabrücker Volkszeitung“ und die „Osnabrücker Zeitung“.
Während die „Osnabrücker Zeitung“ als Relikt und direkter Nachfolger der „Allgemeinen Osnabrückischen Anzeigen“, die von Justus Möser in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts gegründet wurden, angesehen werden kann, entstanden die beiden anderen Zeitungen in der Gründerzeit des Deutschen Reichs mehr als 100 Jahre später. Hier waren die heute noch sehr einflußreichen privaten Osnabrücker Medienunternehmen und Familien Fromm sowie Meinders & Elstermann federführend, die „Osnabrücker Zeitung“ hingegen fungierte nach wie vor als halbamtliches Verlautbarungsblatt mit einem großen Anteil an „Amtlichen Mitteilungen“.

Für Printmedien war die Epoche der sogenannten „Weimarer Republik“ eine goldene Zeit, am Ende des Jahres 1932 gab es mehr als 4.700 Tages- und Wochenzeitungen in Deutschland. Das lag nicht nur an den erheblichen politischen Umwälzungen nach 1918, sondern auch am Mangel an alternativen Medien. Der Rundfunk steckte noch in den Kinderschuhen, das Kino war ebenfalls noch nicht sonderlich stark entwickelt. Lediglich das Medium „Buch“ vermochte das Publikum so sehr zu fesseln wie eine Zeitung. Das ist für die Osnabrücker Mediengeschichte insofern interessant, weil das berühmteste deutsche Buch jener Zeit von einem Osnabrücker verfaßt werden sollte: Erich Paul Remark wurde am 22. Juni 1898 in Osnabrück geboren.

Remarque: Contibuben
Für die Continental-Werke entwickelte Erich Maria Remarque Comics: Die Contibuben

 Nach seiner Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg, die er in einem Duisburger Armee-Krankenhaus beendete, kehrte er in seine Heimatstadt zurück. 1919 legte er die Lehramtsprüfung ab und arbeitete anschließend für ein paar Monate als Lehrer im Emsland. Von dieser Tätigkeit ließ er sich Ende 1920 beurlauben, schlug sich zunächst mit Gelegenheitsjobs durch und arbeitete schließlich als Konzert- und Theaterkritiker beim „Osnabrücker Tageblatt“. Ab 1922 nannte er sich Erich Maria Remarque, stolzierte mit einer falschen Leutnantsuniform durch Osnabrück und kaufte sich zudem einen falschen Adelstitel. Der Misserfolg seines ersten Romans „Die Traumbude“ stürzte ihn in eine tiefe Lebens- und Schaffenskrise. Er wurde daraufhin Verkäufer für Grabsteine. Seine weiter fortgeführte Tätigkeit als Journalist half ihm schließlich aus dieser Krise heraus. Er zog nach Berlin und arbeitete für eine führende Sportzeitung und darüber hinaus als Werbetexter für den Reifenhersteller Continental. Neben der Arbeit an zahlreichen journalistischen Artikeln griff er eine alte Romanidee wieder auf und schrieb nachts an einem Buch, das von seinen Erfahrungen als Frontsoldat erzählte: IM WESTEN NICHTS NEUES. Der Ullstein-Verlag war schließlich damit einverstanden, das Werk als Fortsetzungsroman in einer Tageszeitung herauszubringen. Die Reaktionen der Zeitungsleser waren so überwältigend, daß Ullstein eine bis dahin beispiellose Werbekampagne für das Buch in Gang setzte. Den leidenschaftlichen Diskussionen um sein Werk entzog sich der eher unpolitische Remarque beinahe gänzlich, was ihm als Opportunismus und Feigheit vorgehalten wurde. Hauptsächlich die politisch rechtsorientierte Kritik machte ihn zur Zielscheibe zahlloser Polemiken. Remarque floh am 29. Januar 1933 in die Schweiz und emigrierte später in die USA. Im September 1970 verstarb er in Locarno in der Schweiz. „Im Westen nichts Neues“ gilt heute neben der Bibel als eines der erfolgreichsten Bücher der Menschheitsgeschichte.

Das Osnabrücker Zeitungswesen konnte sich von den politischen Umwälzungen nach dem Ende des Ersten Weltkrieges relativ schnell erholen. Vor allem das „Osnabrücker Tageblatt“ aus dem Hause Meinders & Elstermann profitierte von seiner parteipolitischen Unabhängigkeit und wurde schließlich zur führenden Tageszeitung im Großraum Osnabrück. Im Mai 1923 verstarb Gustav Elstermann, einer der Firmengründer. Kurze Zeit später, im März 1924, verstarb der andere Firmengründer Adolf Meinders. In zweiter Generation übernahm Hermann Elstermann am 01. Januar 1924 die Leitung des Unternehmens. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in jener Zeit wie z.B. der 1923 immer stärker um sich greifenden Inflation lief das Zeitungsgeschäft durchaus profitabel. 1926 wurde eine Rotationsdruckmaschine mit Schmuckfarbeneindruck angeschafft, um die Qualität der Illustrationen im „Osnabrücker Tageblatt“ zu verbessern. Auch die „Osnabrücker Volkszeitung“ und die „Osnabrücker Zeitung“ kamen in den heute als „golden“ verklärten zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts einigermaßen auskömmlich über die Runden. Das lag auch daran, daß die publizistischen Rollen zwischen diesen drei Zeitungen recht klar verteilt waren: für das breite Publikum, daß sich vor allem informieren wollte, auf einseitige politische Meinungsbekundungen keinen gesteigerten Wert legte und eine gewisse Qualität und Objektivität in der Berichterstattung durchaus zu schätzen wußte, war das „Osnabrücker Tageblatt“ Pflichtlektüre. Der katholische und eher konservativ-reaktionäre Flügel schätzte die „Osnabrücker Volkszeitung“ und ihr klares Bekenntnis zur katholischen Sitten-, Glaubens- und Soziallehre. Und für Leser, die in irgendeiner Form im Dienste des Staates standen, führte kein Weg an der „Osnabrücker Zeitung“ und ihren offiziellen und stets staatstreuen Bekanntmachungen vorbei. So hatte man sich in der Hasestadt eigentlich recht bequem nebeneinander eingerichtet, doch die politischen Entwicklungen in der Weimarer Republik machten der durchaus lukrativen Harmonie schließlich einen Strich durch die Rechnung.

In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre wurde durch relativ perfide Methoden versucht, die Berichterstattung der Presse in Deutschland zu beeinflussen. Das sollte sich im nachhinein als fatal für die demokratische Entwicklung des noch jungen deutschen Staatswesens erweisen. Der Einfluss auf die Presse erfolgte in der Weimarer Republik mit Hilfe eines geschickten Netzes aus inhaltlicher und wirtschaftlicher Beeinflussung. Die Hauptrolle spielte dabei der Medienunternehmer Alfred Hugenberg. Mit seiner Nachrichtenagentur „Telegraphen Union“ (TU) konnte Hugenberg der regierungsnahen Agentur „Wolffsches Telegraphen Büro“ (WTB) bald den Rang ablaufen. 1928 bezogen bereits über 1600 Zeitungen in Deutschland ihre Nachrichten von der TU. Das Unternehmen war bereits 1913 gegründet worden und wegen finanzieller Schwierigkeiten von Hugenberg übernommen worden. Die TU zielte offen auf politische Einflussnahme durch Nachrichtenselektion ab. Politisch stand sie dem rechten bis rechtsextremen Rand nah, was natürlich gravierende Auswirkungen auf die Art und Weise der politischen Berichterstattung jener Zeit hatte. Einen weiteren Weg, die Presse zu beeinflussen, fand Hugenberg mit seiner Beratungsfirma „Vera“, bei der kleinere Zeitungen und Zeitschriften wirtschaftlichen Rat suchten. „Vera“ war in Wirklichkeit ein Ausspähinstrument und arbeitete in Personalunion mit Organisationen, die angeschlagene Zeitungen aufkauften. Wirtschaftlichen Einfluss nahm Hugenberg zudem mit Hilfe seiner „Auslands-Anzeigen GmbH“ (seit 1923 Ala), die er kurz vor dem Ersten Weltkrieg gegründet hatte. Ala setzte seine wirtschaftliche Bedeutung für Zeitungsverlage in politische Macht um, indem sie politisch genehme Zeitungen bevorzugt mit Anzeigen versorgte und so zu deren publizistischer Stärke und Reichweite beitrug.

Als äußerst problematisch erwies sich für die Presse der damaligen Zeit die Formulierung des § 118 der Weimarer Verfassung, der erstmals das Grundrecht auf Meinungsfreiheit verbriefte. Im Wortlaut der Verfassung fand sich jedoch nicht der Begriff der „Pressefreiheit“ wieder. Die Gerichte sahen das als bewußte Auslassung an, während Journalisten die Pressefreiheit als selbstverständlich betrachteten. Die juristische Meinung ermöglichte massive Eingriffe in die Pressefreiheit vor allem durch die Republikschutzgesetze von 1922 und 1929. Allein von 1931 bis 1932 wurden 516 Zeitungsverbote aufgrund der Republikschutzgesetze erlassen und 379 aufgrund von Notverordnungen.

In den letzten Jahren der Weimarer Republik wurde auch der Rundfunk zu einem immer bedeutenderem Medium. Der Staat reklamierte schließlich mit aller Macht seinen Anspruch auf die Kontrolle über dieses Medium. Juristen der Reichspost sahen die Telegraphenhoheit des Reiches (Telegraphengesetz von 1908) auch auf den Rundfunk bezogen. Wer Radio hören wollte, der brauchte eine besondere Erlaubnis, und er mußte eine sogenannte „Rundfunkgebühr“ bezahlen. Trotz dieser auch heute noch existierenden Zwangsgebühren konnte die Reichspost den Rundfunk nicht alleine finanzieren. Sie duldete deshalb regionale Rundfunkgesellschaften – zu ihren Bedingungen. Eine Dachorganisation, die „Reichs-Rundfunk-Gesellschaft“, wurde gegründet. Die politischen Nachrichten kamen ausschließlich von der DraDAG (Drahtloser Dienst AG) als zentraler Stelle. Ein politischer Überwachungsausschuss und ein Kulturbeirat kontrollierten und beeinflussten das Medium, das sich schließlich zu einem von staatlicher Seite überwachten Unternehmensverband wandelte.

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle schließlich auf die Osnabrücker Lichtspielhäuser jener Zeit hingewiesen, das „Moderne Theater“ in der Großen Straße, die „Alemannia-Lichtspiele“ an der Alten Münze im Hotel Hackmann, das „Biotophon-Theater“ am Nikolaiort und schließlich die „Capitol“-Lichtspiele in der Großen Straße. Das „Capitol“-Lichtspielhaus galt bei seiner Eröffnung im Jahr 1929 als eines der schönsten und modernsten Lichtspielhäuser in Norddeutschland. Es befand sich dort, wo nach dem Zweiten Weltkrieg die „Kaufhalle“ entstand und heute „Reno“ seine Schuhe verkauft. Mit dem „Capitol“ kam endlich so etwas wie der Glanz der goldenen 20er Jahre nach Osnabrück. Im Innenbereich sorgten über 80.000 Glühbirnen für Furore. Doch diese vielleicht beste Zeit der Weimarer Republik neigte sich schnell dem Ende zu. Die vom Bauhaus-Stil inspirierte Fassade der „Capitol“-Lichtspiele war den Nazis zu undeutsch, 1935 wurde die Fassade im Reichsparteitagsarchitektur-Stil umgebaut. Dieser Stil hielt dann aber auch nicht für lange Zeit. 1945 lag fast ganz Osnabrück in Trümmern und auch die großen Lichtspielhäuser waren von da an nur noch zerstörte Erinnerung an eine Zeit, an der Deutschland zum ersten Mal richtige Demokratie gewagt hatte und furchtbar gescheitert war.

Die Osnabrücker Medien waren in der Weimarer Republik zwar nicht unbedingt Sturmgeschütze der Demokratie, sie waren aber wie das „Osnabrücker Tageblatt“ durchaus ein wenig liberal bzw. überparteilich oder wie die „Osnabrücker Volkszeitung“ katholisch-klerikal orientiert. Sie waren keine Steigbügelhalter der aufkommenden nationalsozialistischen Bewegung, aber sie haben sich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert, als es darum ging, die Weimarer Republik und den demokratischen Gedanken vor seinen Feinden zu schützen. Das kann man ihnen allerdings kaum zum Vorwurf machen, denn die innenpolitischen Entwicklungen jener Zeit spitzten sich in einem rasanten Tempo zu, und dem eher beschaulichen und kleinstädtischen Osnabrück blieb zum Schluß wohl keine andere Wahl als sich wie die anderen deutschen Städte auch in sein Schicksal zu ergeben. Kaum jemand konnte in den letzten Tagen der Weimarer Republik ahnen, daß nun das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte beginnen sollte. Erich Maria Remarque spürte die unheilvolle Entwicklung als einer der ersten. Er hatte schon am 29. Januar 1933, einen Tag vor Hitlers Machtergreifung, Deutschland für immer verlassen. Auch sein Einfluß als weltberühmter Autor konnte die heraufziehende Katastrophe nicht verhindern.

Als Zeitung aus Osnabrück für alle Osnabrücker und solche, die es werden wollen, sieht sich die HASEPOST in der Tradition von Justus Möser. Wir wollen unseren Lesern Journalismus auf hohem Niveau bieten, sind der Wahrheit und Objektivität verpflichtet und begleiten kritisch das aktuelle Geschehen in Osnabrück und der Welt. Und wir sind sehr stolz auf unser großes historisches Vorbild!

Lesen Sie nach unserer Sommerpause, im Herbst 2016, Teil 7 unserer Reihe „250 Jahre Zeitungen, Journalismus und Medien in Osnabrück“: Propaganda für Hitler – Die dunklen Jahre von 1933 bis 1945.

Hier geht es zu den bislang erschienen Ausgaben dieser Artikelserie.

 


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