Guten Abend,

am Ende des Monats ist es in den Osnabrücker Gaststätten oft sehr leer. Den Menschen scheint dann das nötige Kleingeld zu fehlen, um gepflegt auszugehen und einen draufzumachen. Ich gehe aber trotz meiner schmalen Rente auch in diesen schwierigen Tagen in die Lokale, ich halte das für eine gute Sache. „Homedrinking is killing Gastwirt“, habe ich neulich auf dem T-Shirt eines befreundeten Gastronomen gelesen. Nach kurzer Überlegung bin ich zu dem Entschluß gekommen, mir diesen Spruch zu eigen zu machen. Was mir ehrlich gesagt nicht allzu schwer gefallen ist. Statt ständig zuhause vor dem Fernseher zu sitzen, gehe ich sowieso lieber vor die Tür, um Leute zu treffen, um zu sehen, was los ist in der Stadt. In einer Gaststätte in Voxtrup fand diese Woche ein Plakataushang meine besondere Aufmerksamkeit. „Knobeln und Darten für die Osnabrücker Kindertafel – 3 Wurf 1 €“ war darauf zu lesen. Auf Nachfrage meinerseits erklärte mir der Wirt den Sinn der Aktion. Die Osnabrücker Kindertafel ist eine besondere Organisationsform der Osnabrücker Tafel. Sie beliefert Schulen im ganzen Stadtgebiet mit Pausenbrot und Snacks. Mehr als 1000 Kinder gelten in Osnabrück als arm, viele von ihnen haben nicht die finanziellen Möglichkeiten, sich in der Schule Verpflegung zu kaufen. Und ihre Eltern versäumen es, ihnen ausreichend Essen für die ganzen Stunden in der Schule mitzugeben. Manche, weil sie nicht genügend Geld haben, manche vielleicht auch, weil sie so früh am Morgen noch nicht aufstehen wollen, um mit ihrem Kind gemeinsam zu frühstücken oder wenigstens ein Essenspaket zum Mitnehmen zusammenzustellen.

Kinder sind in der öffentlichen Wahrnehmung in der letzten Zeit ein wenig ins Hintertreffen geraten, wie mir scheint. Es wird viel diskutiert über die Integration von Neubürgern, über die Schaffung von Wohnraum, über Sprachkurse und Kopftücher. Aber über die elementarsten Dinge, die für den Bestand und die Entwicklung einer Gesellschaft wichtig sind, über unsere Kinder wird kaum noch geredet. Man freut sich, wenn die lieben Kleinen beim Steckenpferdreiten mitmachen, wenn sie brav ihre Hausaufgaben erledigen und möglichst wenig nerven. Aber sich so richtig mit ihnen beschäftigen, dazu fehlt dann doch oft die nötige Zeit und Geduld. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß Kinder oft schwierig sind, daß sie einem manchmal den letzten Nerv rauben und daß sie sehr anstrengend sein können. Ich weiß aber auch, wie schön es ist, die Kinder glücklich zu sehen, mit ihnen zu spielen, ihnen ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken, sich einfach um sie zu kümmern. Ich glaube, daß die Kindheit in der heutigen Zeit viel von ihrem Zauber und ihrer Unbekümmertheit verloren hat. In einer Gesellschaft, die nur noch auf Effizienz und Geldverdienen getrimmt ist, scheint es mit wahnsinnig viel Aufwand verbunden zu sein, den Kindern den nötigen Freiraum zu lassen, um sich selbst auszuprobieren, ihnen die Gelegenheit zu schaffen, ihr Kindsein auszuleben, zu toben, verrückt zu sein, die Welt kennenzulernen. Offensichtlich gibt es für die Erwachsenen wichtigere Dinger als Kinder. Und offensichtlich halten es einige Eltern nicht mehr für nötig, sich ausreichend um ihre Kinder zu kümmern. Dann springt aber nicht etwa der Staat in die Bresche, der hat nämlich wichtigeres zu tun, zum Beispiel Strafzettel für falsches Parken zu verteilen oder einen vernünftigen Verkehrsfluß am Neumarkt unmöglich zu machen. Eine gemeinnützige Organisation wie die Tafel muß die Lücke füllen, um die ausreichende Versorgung unserer Kinder sicherzustellen. Wobei ich es ganz toll finde, daß es sowas wie die Kindertafel in Osnabrück überhaupt gibt.

Hungrige Kinder können nicht lernen!

Ich habe den Gastwirt in Voxtrup gefragt, was ich tun kann, um dieser Organisation zu helfen. Denn ich finde, nur mit Knobeln und Darten für den guten Zweck ist es nicht getan. Das hat der Gastwirt ähnlich gesehen. Mir ist erst im intensiven Gespräch mit diesem wirklich gutherzigen und pragmatischen Mann klargeworden, wie wenig wir uns mittlerweile um unsere Kinder kümmern. Wir reden zwar gerne davon, daß sie unsere Zukunft sind, daß sie für uns alles bedeuten. In den sozialen Netzwerken werden stolz die Fotos der lieben Kleinen präsentiert, oft zusammen mit dem Hinweis, daß die Kinder einem alles bedeuten und man es bloß nicht wagen sollte, sie schief anzuschauen. Ich finde dieses Engagement ja durchaus rührend, aber in der Praxis ist davon oft nicht viel zu spüren. Kinder brauchen mehr als ein paar warme Worte und Liebesschwüre bei Facebook. Manchmal brauchen sie einfach nur eine Pause oder eine warme Mahlzeit. Und ein paar Erwachsene, die sich für sie engagieren und die unsere Kinder wieder in unser Blickfeld rücken. Ich muß ehrlich gestehen, daß ich bei all dem, was sich in unserer wilden Welt täglich ereignet, auch des öfteren den Blick für das wirklich wichtige verliere, daß ich all den Nichtigkeiten viel zu viel Aufmerksamkeit schenke. Ich gelobe aber Besserung. Als erstes werde ich Kontakt mit der Osnabrücker Kindertafel aufnehmen. Dafür ist das Internet endlich einmal eine gute Sache. Unter www.osnabruecker-kindertafel.de kann man sich ganz einfach informieren und herausfinden, was man selber tun kann, um das Leben unserer Kinder schöner zu machen. Jeder Tag ist ein neuer Anfang. Ich nehme mir diesen Spruch jetzt einfach mal zu Herzen!

Ich wünsche allen HASEPOST-Lesern ein Wochenende, an dem es ausnahmsweise mal nichts zu mösern gibt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Ihr

Justus Möser

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