Guten Abend,

wenn ich in diesen Tagen mit meinem Auto über den Osnabrücker Neumarkt fahre, dann stelle ich mit Erstaunen fest, wie sich der Verkehrsfluss an diesem konfliktträchtigen Ort doch innerhalb kürzester Zeit normalisiert, ja fast schon beruhigt hat. Selbst zu den sogenannten Stoßzeiten in den Morgenstunden oder am Nachmittag passieren die Autos die Ost-West-Achse zügig und ohne Verzögerungen. Es ist ein äußerst harmonisches Miteinander zwischen allen Verkehrsteilnehmern zu beobachten, denn Fußgänger, Fahrradfahrer sowie Busse und ihre Insassen können den Neumarkt ebenfalls passieren, ohne in langen und zeitraubenden Staus kostbare Lebenszeit sinnlos zu vergeuden. Das ist die derzeitige Situation, bedingt durch synchronisierte Ampelschaltungen, die von Osnabrücks oberstem Verkehrsplaner noch vor wenigen Monaten in das Reich der Fabeln und Utopien verwiesen wurden. Wie anders stellt sich der Verkehrsfluß doch auf der Hansastraße dar. Selbst am frühen Nachmittag, außerhalb der besonders hochfrequentierten Nutzungszeiten, ist diese beliebte Durchgangsstraße chronisch verstopft. Für eine Distanz von wenigen hundert Metern benötigt man als Autofahrer oft eine halbe Stunde oder noch länger. Ich weiß nicht, ob diese mißliche Situation politisch gewollt ist oder ob das Verkehrsplanungsamt einfach nicht ausreichend nachgedacht hat, als es Teile der Bramscher Straße und die Römereschstraße für den Autoverkehr gesperrt hat. Es macht mich nur unendlich traurig, wenn ich spüre, wie hochdotierte Beamte ihren ureigensten Aufgaben nicht nachkommen, die doch wohl darin bestehen müssen, die Lebensumstände der Bürger auf einem vernünftigen Standard zu halten oder sogar noch zu verbessern. In Osnabrück scheinen einige Staatsbedienstete von diesen Grundsätzen bewußt abzuweichen, um in ideologischer Verblendung und mit einer sprachlos machenden Borniertheit ihre Visionen von einer autofreien Gesellschaft realisieren zu können. Die Leidtragenden dieser Handlungsweise sind die Osnabrücker Bürger, gleich ob sie selber zu den Autofahrern zählen oder sich auf andere Art und Weise fortbewegen. Solange für die individuelle Mobilität des Einzelnen durch das Automobil noch kein gleichwertiger Ersatz geschaffen worden ist, sind alle Bestrebungen, das Autofahren künstlich zu erschweren, nichts anderes als reine Schikane im Dienste obskurer Weltanschauungen, die höchstens dazu beitragen können, die um sich greifende Politikverdrossenheit in der Bevölkerung weiter zu schüren, aber wohl kaum jemanden davon abhalten werden, sich seines Automobils zu bedienen, wenn er es denn für notwendig erachtet.

Vor einigen Jahrzehnten machte in der westdeutschen automobilvernarrten Wohlstandsgesellschaft der Slogan „Freie Fahrt für freie Bürger“ die Runde. Er bezog sich seinerzeit vor allem auf das von damals als Fortschrittsgegnern titulierten Interessensgruppen geforderte Tempolimit auf den bundesdeutschen Autobahnen. Ein Aufschrei ging durch große Teile der Gesellschaft, man fühlte sich bevormundet von irgendwelchen unbedeutenden Minderheiten, die mit ihren als unüberlegte Spinnerei empfundenen Parolen den Wohlstand eines ganzen Landes gefährdeten, dessen Industrie und damit auch unzählige Arbeitsplätze in hohem Maße von der Automobilindustrie abhängig waren. Mir gefällt diese Forderung nach freier Fahrt für freie Menschen, weil sie zumindest eine kleine Rebellion darstellt in dem Wust von Vorschriften, Verordnungen, Gesetzen und einem durch nichts zu belegenden angeblichen Mehrheitswillen, der das Fahren im eigenen Automobil mittlerweile auf eine Stufe mit dem Genuß von Nikotin oder dem übermäßigen Verzehr von Fleisch stellt. Freie Bürger sollten der Stolz eines jeden Landes sein, doch ich habe mittlerweile den Eindruck, daß von Seiten einer sich immer mehr als Obrigkeit im schlechtesten Sinne der deutschen Traditionen berufen fühlende Verwaltung alles darangesetzt wird, die Freiheit der Bürger bis aufs äußerste zu beeinträchtigen. Und das betrifft nicht nur die individuelle Mobilität. Wenn ich die unsäglichen Diskussionen über eine Einschränkung oder sogar Abschaffung des Bargeldverkehrs verfolge, wenn ich nicht mehr sicher sein kann, ob eine von mir geäußerte Meinung möglichweise unter das Strafrecht fällt und zu sofortiger sozialer Ächtung führt, wenn sogar das Bundesverfassungsgericht den Innenministerien der deutschen Bundesländer bescheinigt, im NPD-Verbotsverfahren mit Kanonen auf Spatzen zu schießen und zu einer fairen und gesetzmäßigen Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner aufruft, dann spüre ich verstärkt, welche Bestrebungen von allerhöchster politischer Stelle in unserem Land am Wirken sind, um die Freiheit des Einzelnen immer mehr einzuschränken. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum mir der Slogan „Freie Fahrt für freie Bürger“ so gut gefällt. Vielleicht liegt es aber auch einfach nur daran, daß ich gerne zügig von A nach B komme. Auch wenn das nicht im Sinne von irgendwelchen Bauamtsleitern liegt. Wobei mich deren Meinung bei den Minustemperaturen der vergangenen Tage irgendwie ziemlich kalt läßt. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich wünsche allen HASEPOST-Lesern ein Wochenende, an dem es nichts zu mösern gibt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Ihr

Justus Möser

Hier alle bislang erschienenen Kolumnen von Justus Möser.

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